Sonntag, 14. November 2010

Schramm

"Today I am dirty, but tomorrow I´ll be just dirt"
(Carl Panzram)

Willkommen in der Welt des Berliner Taxifahrers Schramm, seines Zeichens Lippenstift-Mörder…
Schramm liegt tot am Boden, in einer Pfütze aus Farbe. Was ist passiert? Dies sehen wir erst zum Schluss. Er ist von der Leiter gefallen, als er seine Wohnung neu streichen wollte. Wieso? Das sehen wir gleich am Anfang.

Wie unschwer zu erkennen ist, hat der Film keine lineare Handlung. Wir sehen immer weiter in die letzten Tage von Schramm und was er so getrieben hat. Immer tiefer tauchen wir in seine Gedankenwelt ab. Dabei vermischt sich Fantasie und Wirklichkeit so weit miteinander, dass es schwer ist, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Der Zuschauer sieht als stiller Beobachter das Geschehen. Keinerlei Wertung wird abgegeben, alles ist kühl und distanziert. Wir sehen Schramm und verfolgen seine Handlungen, z.b. wie er seinen heimlichen Schwarm, seine Nachbarn, von Beruf Nutte, heimlich belauscht, um es sich selbst zu besorgen, mit Gummipuppe als Sex-Utensil.
Die Kamerafahrten sind einzigartig für den deutschen Amateurbereich. Die Kamera bleibt nie still, ist meist immer in Bewegung: Sie scheint über Schramm zu fliegen, während er Sport treibt. Bei einer Autofahrt, bei der Schramm Chauffeur für seine Nachbarin spielt, dreht sich alles – einschließlich den Straßen – um die beiden. Die Morde an den Frauen, wenige sind wirklich zu sehen, und Schramms anschließendes Zerschneiden ihrer Wäsche wirken mit dieser Kameraperspektive fesselnder. Hierzu zählen auch die Zeugen-Jehovas-Szenen: Dem männlichen Part schneidet er die Kehle durch, dass das Blut nur so an Wand und Decke spritzt. Die Frau stirbt nach zwei Schlägen mit einem Hammer. Von den beiden Leichen werden Bilder gemacht – in Sexposen.
Alles wirkt in diesem Film sehr intensiv; man wird von Anfang an hineingezogen.
"Schramm" ist die Antwort auf die Hollywood-Serienkiller-Filme à la "Schweigen der Lämmer". Hier steht nicht die Behörde, die den Täter jagt, im Vordergrund. Der Film zeigt uns das Leben eines unbachteten Serienkillers, der ruhige Nachbar – wie wohl bei den meisten Mördern – von Nebenan.

"Schramm" ist kein leichter Film, doch trotz der vielen Morde und der intensiven Kameraperspektiven kann man ihn nicht als Splatter- oder Gewaltorgie bezeichnen, was Regisseur Buttgereit auch nie beabsichtigte. Die ungewöhnlichen Kamerafahrten, die kühle Beobachterperspektive des, im wahrsten Sinne des Wortes, Zuschauers macht "Schramm" zu seinen bis dato besten Spielfilm, leider zurzeit auch sein letzter. Wir dürfen auf neue Ideen des Regisseurs gespannt sein.

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